#1

Warum "Weitertragen"?

in Wer hier richtig ist 13.05.2018 18:04
von Weitertragen | 727 Beiträge

Warum Weitertragen

Zunächst einige Gedanken zum Austragen eines Babys mit lebensbegrenzender Diagnose in Schlaglichtern.
Im folgenden Beitrag findet Ihr die einzelne Punkte noch einmal ausführlicher betrachtet.


Wenn Eltern nach Erhalt einer lebensbegrenzenden Diagnose für ihr Kind von der Möglichkeit des Austragens der Schwangerschaft erfahren, dann ist das für manche eine Erleichterung und für manche erst einmal befremdlich. Was soll das bringen? Wieso der Situation nicht gleich entfliehen?

Eltern, die sich für das Austragen ihres kranken Kindes entscheiden, begegnen in ihrem Umfeld immer wieder Verwunderung und auch Unverständnis für ihren gewählten Weg. Sie sehen sich der Frage gegenüber, weshalb sie an diesem nicht lebensfähigen Leben festhalten, wo es doch einen vermeintlich leichteren, kürzeren Weg gäbe.

Aus unseren eigenen Erfahrungen heraus und durch die Begleitung vieler betroffener Eltern haben wir eine Vielzahl von Gründen für das Weitertragen kennenlernen dürfen. Für diese Gründe zu sensibilisieren und den Blick für diese Perspektive zu öffnen, ist uns eine Herzensangelegenheit.


Warum Weitertragen, wenn doch das Ende schon in Sicht ist, bevor das Leben richtig beginnt?


Weitertragen, weil es für die Eltern unvorstellbar ist, das Leben ihres Kindes bewusst vorzeitig zu beenden und dies dann emotional langfristig aushalten zu können.


Weitertragen, weil man sich nicht in der Lage fühlt, eine endgültige Entscheidung zu treffen.


Weitertragen, weil der Weg des Abbruchs kein Zurück kennt und mitunter Schuldgefühle sowie offene Fragen zurücklässt.


Weitertragen, in der Gewissheit, dem Kind durch das Fortsetzen der Schwangerschaft kein zusätzliches Leid zuzufügen.


Weitertragen, weil für Eltern das Wissen unvorstellbar/unerträglich ist, wie ihr Kind im Falle eines (Spät-)Abbruchs sterben würde.


Weitertragen, weil die religiöse / ethische / moralische Überzeugung diesen Weg vorgibt.


Weitertragen, weil ich mich weigere zu akzeptieren, dass diese kurze Leben sinnlos sein soll.


Weitertragen, um jeden Moment der kurzen, verbleibenden Zeit zu nutzen, zu genießen. Weitertragen, um wertvolle, wichtige Erinnerungen zu sammeln.


Weitertragen, um Zeit zu haben, sich auf die Geburt und die Zeit danach vorzubereiten.


Weitertragen aus bedingungsloser Liebe und Annahme mit allen „Fehlern“.


Weitertragen, im Vertrauen darauf, dass das eigene Herz und Bauchgefühl den richtigen Weg kennen.


Weitertragen, um dem Tod ein Stück Leben abzutrotzen.


Das Weitertragen ist ein oftmals schwerer, kraftraubender und anstrengender Weg. Bittersüß und voller Höhen und Tiefen. Doch gleichzeitig beschreiben ihn die Betroffenen rückblickend als heilsamen Weg, der neben dem Schmerz auch ganz viel Schönheit, Liebe, Dankbarkeit und langfristigen inneren Frieden schenkt.

(Klatschmohn)


zuletzt bearbeitet 11.09.2021 14:46 | nach oben
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#2

RE: Warum "Weitertragen"?

in Wer hier richtig ist 13.05.2018 18:05
von Weitertragen | 727 Beiträge

Warum Weitertragen
- Gedanken zum Austragen eines Babys mit lebensbegrenzender Diagnose -


Wenn Eltern nach Erhalt einer lebensbegrenzenden Diagnose für ihr Kind von der Möglichkeit des Austragens der Schwangerschaft erfahren, dann ist das für manche eine Erleichterung und für manche erst einmal befremdlich. Was soll das bringen? Wieso der Situation nicht gleich entfliehen?

Eltern, die sich für das Austragen ihres kranken Kindes entscheiden, begegnen in ihrem Umfeld immer wieder Verwunderung und auch Unverständnis für ihren gewählten Weg. Sie sehen sich der Frage gegenüber, weshalb sie an diesem nicht lebensfähigen Leben festhalten, wo es doch einen vermeintlich leichteren, kürzeren Weg gäbe.

Aus unseren eigenen Erfahrungen heraus und durch die Begleitung vieler betroffener Eltern haben wir eine Vielzahl von Gründen für das Weitertragen kennenlernen dürfen. Für diese Gründe zu sensibilisieren und den Blick für diese Perspektive zu öffnen, ist uns eine Herzensangelegenheit.


Warum Weitertragen, wenn doch das Ende schon in Sicht ist, bevor das Leben richtig beginnt?


Weitertragen, weil es für die Eltern unvorstellbar ist, das Leben ihres Kindes bewusst vorzeitig zu beenden und dies dann emotional langfristig aushalten zu können.
Lebensbegrenzende Diagnosen werden oftmals erst in der Mitte der Schwangerschaft gestellt. Mit dem Kind selbst ist bereits über viele Wochen und Monate die emotionale Bindung der Eltern zum Kind gewachsen, Vorbereitungen wurden getroffen, Pläne geschmiedet.
Das Leben des Kindes nun bewusst vorzeitig zu beenden, ist für viele Eltern emotional nicht vorstellbar.
Ebenso unvorstellbar ist es oftmals, den Entschluss für einen Abbruch (gerade in fortgeschrittenem Stadium) offen zu formulieren, dazu auch vor dem Umfeld zu stehen – oder diesen Schritt langfristig mit sich selbst herumzutragen. (Zitat: „Mache ich aus dem Abbruch ein Geheimnis, das ich niemandem anvertrauen kann oder kann ich damit offen umgehen?“)

Weitertragen, weil man sich nicht in der Lage fühlt, eine endgültige Entscheidung zu treffen.
Die Last, die Entscheidung über Leben oder vorzeitigen Tod des eigenen Kindes selbst treffen zu sollen, ist immens groß. Und die Angst, dabei den falschen Weg zu wählen, kann erdrückend sein. Eltern erleben, dass dieser große Druck von ihnen abfällt, wenn sie sich bewusst für das Weitertragen entscheiden oder dazu entschließen, erst einmal keine Entscheidung zu treffen.

Weitertragen, weil der Weg des Abbruchs kein Zurück kennt und mitunter Schuldgefühle sowie offene Fragen zurücklässt.
Wenn Eltern den Weg des Abbruchs wählen, durchleben sie trotzdem den Trauerprozess um ihr Kind. Hinzu kommen immer wieder Gefühle der Schuld und die emotionale Last, den Zeitpunkt und die Art des Todes ihres Kindes selbst bestimmt zu haben.
Offen bleiben die Fragen, wie der Rest der Schwangerschaft tatsächlich verlaufen wäre und was an kurzen gemeinsamen, aber wertvollen Momenten mit dem Kind versäumt wurde.

Weitertragen, weil für Eltern das Wissen unvorstellbar/unerträglich ist, wie ihr Kind im Falle eines (Spät-)Abbruchs sterben würde.
Abhängig von der Schwangerschaftswoche und Erkrankung des Kindes sind die Wege des Abbruchs unterschiedlich. Bis ca. zur 23. SSW (Schwangerschaftswoche) würde die Geburt eingeleitet und das Kind im Geburtsverlauf oder unmittelbar danach versterben. Ist die Schwangerschaft bereits weiter fortgeschritten, wird die Geburt erst nach einem erfolgten Fetozid(*) eingeleitet.

Weitertragen, weil die religiöse / ethische / moralische Überzeugung diesen Weg vorgibt.
Das Leben zu achten, es unabhängig von Gesundheit und Einschränkungen, von Besonderheiten und Lebenserwartung als wertvolles Geschenk anzunehmen, ist für viele Eltern ein wichtiger Grund des Weitertragens.
Zu den eigenen Überzeugungen zu stehen, statt sie zu verraten, sich treu zu bleiben, auch wenn es plötzlich die eigene Kernfamilie betrifft (z. B. als Lehrerin/Erzieherin für Kinder mit Behinderung, als in der Kirchengemeinde aktive Frau, als Schwester oder Tante eines schon seit Geburt behinderten Kindes, etc.), ist diesen Familien wichtig.

Weitertragen, weil ich dem Tod nicht noch mehr Macht überlassen will und daran festhalte, dass dieses Leben, so kurz und bedroht es auch sein mag, einen Sinn ergibt und Spuren hinterlässt.
Weil der Tod nicht das letzte Wort haben kann, sondern die Liebe.

Weitertragen, um jeden Moment der kurzen, verbleibenden Zeit zu nutzen, zu genießen. Weitertragen, um wertvolle, wichtige Erinnerungen zu sammeln.
Wenn ein Kind stirbt, dann ist alles was zurück bleibt, die Liebe im Herzen und eine kleine Summe von Erinnerungen. Umso wertvoller und wichtiger sind eben diese Erinnerungen (Fotos, Tagebuch, Erlebnisse, etc.) für die Zukunft und den Trauerprozess. Erinnerungen trösten, sie geben Kraft und Halt, machen in positivem Sinne immer wieder bewusst, dass das verstorbene Kind real war, betrauert werden darf und für immer zur Familie gehört.

Weitertragen, um Zeit zu haben, sich auf die Geburt und die Zeit danach vorzubereiten.
Wenn Geburt und Abschied unmittelbar miteinander verbunden sind, dann sind diese Momente umso wichtiger und wertvoller. Ihre Gestaltung und das bewusste Durchleben bekommen eine ganz andere, größere Bedeutung als bei anderen Geburten.
Das Kennenlernen und Aufsaugen jeden Momentes der gemeinsamen Zeit, das Spüren des Kindes im Arm, das Küssen, Streicheln und Betrachten, das Fotografieren – für all das gibt es nur dieses eine kleine, unwiederbringliche Zeitfenster. Das Baby bekommt seinen Namen, wird „greifbare Wirklichkeit“ - nicht nur für die Eltern selbst, sondern oft auch für Geschwisterkinder und andere Familienmitglieder, manchmal auch enge Freunde.
Dieses gemeinsame Kennenlernen und Abschiednehmen, Gestalten der Trauerfeier/Beerdigung, etc. verbindet. Es schafft gemeinsame Erinnerungen, die das Gedenken an das verstorbene Kind lebendig halten und den Betroffenen auf diese Weise gut tun.

Weitertragen aus bedingungsloser Liebe und Annahme mit allen „Fehlern“.
Zitat einer Sternenkind-Mutter: „Ich habe mein Kind nach der Entscheidung für das Weitertragen wieder lieben können. Und wen man liebt, den will man bei sich haben.“

Weitertragen, im Vertrauen darauf, dass das eigene Herz und Bauchgefühl den richtigen Weg kennen.
Herz und Bauchgefühl sind in emotionalen Ausnahmesituationen des Lebens sehr oft die besten Berater. Wo die eigene Vorstellungskraft und der Verstand an ihre Grenzen geraten, da leiten sie und das Unterbewusstsein die Menschen mit unsichtbarer Hand auf dem Weg, der als gangbar und rückblickend sehr heilsam empfunden wird.


Das Weitertragen ist ein oftmals schwerer, kraftraubender und anstrengender Weg. Bittersüß und voller Höhen und Tiefen. Doch gleichzeitig beschreiben ihn die Betroffenen rückblickend als heilsamen Weg, der neben dem Schmerz auch ganz viel Schönheit, Liebe, Dankbarkeit und langfristigen inneren Frieden

(Klatschmohn)

*Fetozid bei Spätabbruch:
Im allgemeinen Sprachgebrauch wird der Abbruch nach der 12. SSW als Spätabbruch bezeichnet. Eine juristische Festlegung gibt es diesbezüglich nicht.
Bereits ab der 20. SSW ist das Kind theoretisch ausserhalb des Mutterleibes lebensfähig und müsste intensivmedizinisch versorgt werden bzw. würde bei unterlassener Hilfeleistung versterben. Um entsprechende ethische bzw. berufsrechtliche Konflikte zu vermeiden, besteht ärztlicherseits weitgehend Konsens darüber, dass dem Fötus in diesem Fall (mittels Ultraschallkontrolle) zunächst eine Kaliumchloridlösung ins Herz oder die Nabelschnurvene injiziert werden muss, was unmittelbar zum Herzstillstand führt, bevor die Geburt eingeleitet wird.

(Elija)


zuletzt bearbeitet 13.05.2018 18:06 | nach oben
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#3

RE: Warum "Weitertragen"?

in Wer hier richtig ist 13.05.2018 18:07
von Weitertragen | 727 Beiträge

Weitertragen


Weitertragen
gegen alle Vernunft
und besseres Wissen

Weitertragen
ins Ungewisse
die verletzliche Fracht

Weitertragen
durch Hoffnungslosigkeit
und Angst

Weitertragen
durchs Uferlose
ohne Halt

Weitertragen
ausgesetzt
und doch geborgen

Weitertragen
damit der Tod
nicht
das letzte
Wort hat

Weitergetragen
von
der
Liebe

(Elija)


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