#1

Hallo aus Hessen

in Herzlich willkommen im Forum von WEITERTRAGEN e.V. 22.09.2016 09:45
von Dini | 11 Beiträge

Hi, ich bin Dini 26 Jahre alt und habe zwei Kinder.

Ich habe lange überlegt, ob ich mich in einem Forum anmelden soll oder nicht. Ausschlaggebend dafür war das gestrige erste Gespräch mit einer Psychologin.

Hier meine Geschichte:

Unsere erste Tochter Paula ist am 31.01.2015 gesund und munter auf die Welt gekommen.
Sechs Monate später war ich wieder schwanger. Wie genial ist das denn? Wir haben uns sehr gefreut.
Ich fand die Vorstellung total toll, dass die zwei nicht so weit auseinanderliegen.

In der 20 SSW haben wir dann die Diagnose bekommen, dass etwas nicht stimmt. Was wussten wir nicht.
Der Blutwert sagte lediglich aus, das es eine Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte sein könnte, oder ein offener Rücken oder eine Zwerchfellhernie oder oder oder..
Meine FÄ sagte, in 90 % der Fälle, wo der AFP-Wert nicht stimmt, ist nichts. Ich soll mir jetzt erstmal keinen Kopf machen. Sie hat mich dann zu einem anderen Arzt zur Fehldiagnostik überwiesen. Zu diesem Zeitpunkt war ich noch relativ entspannt. Auch in der ersten Schwangerschaft verlief nicht alles rosig und am Ende war doch gar nichts gewesen.

Wir sind also zur Felhdiagnostik und der Arzt stellte dann fest, dass sich das Zwerchfell nicht geschlossen hat und dadurch der Magen hoch gerutscht ist, das Herz zur Seite drückt und auf die Lunge drückt. Er sagte dann, das kann man operieren und er hatte vor einem Jahr eine Familie mit der gleichen Diagnose und das Kind ist jetzt gesund und munter. Natürlich war ich total schockiert, aber das beruhigte mich dann etwas.

Ich habe viel gegoogelt und gelesen in der Zeit und mich über die Zwerchfellhernie informiert.

Mit dieser Diagnose ging der ganze Arzttruble los. Wir sind von einer Untersuchung zur nächsten. Dann war da noch unsere erste Tochter. Man musste immer wieder die Arzttermine organisieren und sehen, das ein Babysitter da ist. War sie doch erst 11 Monate alt.. Das war wahnsinnig anstrengend, vorallem für Paula.

Es wurden viele Untersuchungen gemacht, wie z.B. hat das Kind weitere Fehlbildungen, liegt eine Trisomie 13 oder 18 vor und und und.. Bei einer Trisomie in Zusammenhang mit der Zwerchfellhernie wäre sie nicht lebensfähig gewesen. Ich war wie erstarrt und habe in dieser Zeit einfach nur funktioniert. Habe auf den Befund gewartet und wusste gar nicht, wie es weiter gehen sollte. Endlich war der Befund da. Keine weiteren Fehlbildungen oder eine Trisomie! Was eine Erleichterung. Und wir wussten nun, dass es wieder ein Mädchen wird.

Der Arzt hat uns dann nach Gießen überwiesen, dort wurden weiter Untersuchungen gemacht und letztendlich wurde sich dafür entschieden, dass ein Ballon eingesetzt wird um die Lunge wachsen zu lassen. Also wurde ein vorgeburtlicher Eingriff in der 33 SSW gemacht (wahnsinn was heutzutage alles möglich ist) und ein Ballon durch den Mund in die Lunge eingeführt.

Danach wurde ich nach Mannheim überwiesen, damit dort das Kind auf die Welt kommt. Die Uniklinik Mannheim hat sich auf Zwerchfellhernien spezialisiert. Diese Krankheit und die OP sind für die Routine, wie in anderen Krankenhäusern eine Blinddarm-OP.

Nach vorzeitigen Blasensprung, drei Tage absolute Bettruhe und Wehenhemmenden Medikamenten wurde dann der Kaiserschnitt durchgeführt und Helena kam am 05.04.2016 um 08:36 Uhr auf die Welt. 49 cm und 2600 gr. Und sie sieht aus wie Paula! Ich war so fasziniert davon, dass noch ein Kind so niedlich sein kann wie Paula :)

Helena wurde dann gleich auf die Intensivstation gebracht, intubiert und an die ECMO angeschlossen. Ich wurde in der Zeit genäht und auf Station gebracht. Gegen 14:00 Uhr durfte mein Mann dann das erste Mal auf die Intensiv und Helena besuchen. Er hat Bilder gemacht und mir gezeigt. Wahnsinnig niedlich die Kleine.

Sie war an viele Geräte angeschlossen. Ich wusste, was auf mich zukommt, ich durfte mir die Station und die ECMO vor der Geburt anschauen.

Nun ging die Achterbahnfahrt richtig los. Es sah anfangs sehr schlecht aus. Der Prof meinte, es war nicht einfach, sie überhaupt an die ECMO anzuschließen. (Die ECMO ist ein externes Herz-Lungen-System, dass die Lungen- und die Herzfunktion übernimmt)

Nunja, das war aber geschafft. Jeden Tag habe ich am Bettchen gesessen und ihre Hand gehalten. Mein Mann kam so oft es ging mit Paula vorbei und hat auch alle zwei/drei Nächte mit übernachtet. Für Paula war diese Zeit ganz
schlimm. Sie war erst 14 Monate und hat überhaupt nicht verstanden, warum ich auf einmal weg war und sie
mich nur so sporadisch sehen durfte und dann auch wieder ohne mich gehen musste. Das war wirklich schlimm für mich.
Sie hat sehr schlecht geschlafen, was meinem Mann viel Nerven gekostet hat. Aber Hut ab, er hat das alles so super gemeistert und wusste zu jederzeit, dass Paula in den besten Händen ist.

Nach zehn Tagen war es dann aber so, dass die ECMO ab musste, da sich in dem System nach einer gewissen Zeit Thrombosen bilden. Und der Prof meinte, nach zehn Tagen schaffen es fast alle ohne die ECMO. Helena konnte aber den Blutdruck nicht halten, also wollten die Ärzte eine zweite ECMO anhängen.

Die Klinik rief mich an und teilte mir das mit und sagte, ich kann gerne nochmal auf Station kommen. (eigentlich war gerade Übergabe, da dürfen keine Eltern auf der Station sein)
Ich hab mich auf den Weg gemacht und war fünf Minuten später da. Als ich in das Zimmer kam, wurde Helena reanimiert.
Ihr Herz hat in dem Moment aufgehört zu schlagen, als die zweite ECMO reingeschoben wurde. Der Arzt meinte, sie hat das für sich entschieden. Sie haben dann alle Schläuche abgemacht und mir sie in die Arme gegeben. Ich durfte endlich meine Tochter im Arm halten. Sie hat noch zweimal geatmet und ist dann gestorben.
Ein Arzt hat meinen Mann in der Zwischenzeit angerufen. Er hat Paula zu meiner Mutter gebracht und kam dann zu mir. 150 km sind es von uns bis Mannheim.

In diesen zwei Stunden hatte ich Helena die ganze Zeit auf dem Arm. Die Schwestern haben mich mit ihr alleine gelassen, nachdem ich versichtert hatte, das ich nicht zusammenbrechen werden. Als mein Mann endlich da war, war das so eine große Erleichterung. Musste ich doch viele Sachen alleine durchstehen, da er für unsere große Tochter da sein musste.
Er hat sie dann auch endlich das erste mal im Arm gehabt. Es war so schön und gleichzeitig so furchtbar.

Eine Woche später haben wir Helena dann im engsten Kreis der Familie beerdigt. Zehn Tage ist unsere Kleine alt geworden.

Das ganze ist jetzt fast ein halbes Jahr her. Durch Paula sind wir schnell wieder in den Alltag zurück gekehrt. Paula brauchte ihre gewohnten Strukturen und nach einiger Zeit hat das mit dem Schlafen auch wieder geklappt.
Dadurch ging aber die Zeit zum Trauern und Begreifen total verloren.

Mein Mann hat vorgeschlagen, dass wir mal mit einer Psychologin reden sollten. Ich hab dem zugestimmt, obwohl ich der Meinung war, ich bräuchte das nicht. Gestern hatten wir den ersten Termin und ich war überrascht. Positiv überrascht. Ich hab gar nicht gemerkt, wie sehr ich das gebraucht habe, darüber zu reden. Mit Freunden und Familie ist es schwierig darüber zu reden.

Deswegen bin ich jetzt auch hier. Das Gespräch mit Leuten die nicht direkt in die Sache involviert waren, tut mir gut.

Das ist jetzt erstmal meine grobe Geschichte Sie ist jetzt schon wahnsinnig lang, obwohl ich viele Details weggelassen habe.

Wir gehen sehr offen mit dem Thema um, wenn uns jemand fragt. Es fragen nur relativ wenige Leute, weil sie sich nicht trauen, obwohl es sie interessiert. Falls es Fragen gibt, ich beantworte sie gerne :)

Ich vermisse Helena sehr, aber jeden Tag wenn ich in das Gesicht meiner Tochter blicke, bin ich auch glücklich, dass es sie gibt. Und wir haben uns auch für ein drittes Kind entschieden :)

In diesem Sinne,
viele Grüße
Dini


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#2

RE: Hallo aus Hessen

in Herzlich willkommen im Forum von WEITERTRAGEN e.V. 22.09.2016 10:48
von Angi | 12 Beiträge

Hallo Dini,

ich habe deine Vorstellung erst jetzt, nachdem ich dir auf den anderen Post geantwortet hatte gelesen.
Das was ihr erleben musstet tut mir unbeschreiblich leid, mir sind beim lesen die Tränen gelaufen und jetzt schreibe ich dir mit zittrigen Fingern. Ihr musstet das mitmachen wovor ich so riesige Angst habe es mitmachen zu müssen. Zu der großen Zwerchfellhernie unserer Tochter kommt ja noch der Herzfehler.
Ich bewundere dich, so wie du schreibst, hörst du dich sehr gefasst und stark an. Auch wenn es in dir bestimmt anders aussieht.
Ich schicke dir eine sanfte Umarmung und ganz viele liebe Grüße


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#3

RE: Hallo aus Hessen

in Herzlich willkommen im Forum von WEITERTRAGEN e.V. 22.09.2016 11:04
von Dini | 11 Beiträge

Ich kann sehr gut nachvollziehen, was du gerade durchmachst. Diese Angst, die Ungewissheit und
(was vorallem mir zu schaffen gemacht hat) die Hilflosigkeit. Ich habe mich gefühlt,
als wäre ich in meinem eigenen Leben nur Beifahrer.

Wenn du Hilfe brauchst, oder einfach nur reden willst, bin ich gerne für dich da :)
Ich drücke alle Daumen die ich habe für euch und euren Wurm.


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#4

RE: Hallo aus Hessen

in Herzlich willkommen im Forum von WEITERTRAGEN e.V. 22.09.2016 11:26
von Sternen-Lilly | 1.519 Beiträge

Liebe Dini
Herzlich willkommen bei uns.
Nachträglich auch meine herzlichen Glückwünsche zur Geburt deiner Tochter und mein tiefstes Beileid. Ich hoffe du konntest zumindest etwas Kraft und auch positive Erinnerungen aus eurer gemeinsamen Lebenszeit gewinnen. Diese Gefühle fand ich, halfen immer die Trauertäler auszuhalten und zu überwinden.
Ich schalte dich für den internen Bereich frei, da kannst du noch ungestörter lesen und schreiben, da es nur für die aktiven Forenmitglieder zugänglich ist.
Liebe Grüße


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